Die irre Heldentour des Billy Lynn

Das Ang Lees neuer Film nicht an sein romantisches Pathosmeisterwerk „Life of Pi“ anknüpfen würde, war erwartbar. In welche Richtung „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ geht, war aber nicht abzusehen. Ang Lees neues Werk ist nämlich ein Film, der den Heldenpathos ordentlich auf die Schippe nimmt.

Sicher, es geht hier nicht um einen Schiffbrüchigen, sondern um die übertriebene Verehrung der Irakveteranen, dennoch ist diese Antithetik in Lees Werk, von Pathoszelebrierung zu Pathoskritik innerhalb eines Films, doch durchaus bemerkenswert. „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ist dabei erwartungsgemäß gut, tatsächlich gehört der Film zu einem der besten Kriegsfilme, die man in letzter Zeit erleben durfte. Dies liegt vor allem an Lees ungewöhnlichem Ansatz, sich dem Genre zu nähern. Den Krieg zeigt er nämlich nur sehr fein dosiert, im Vordergrund steht die Zelebrierung der Soldaten in der Heimat als Helden.

Absolut großartig ist es zu sehen, wie Lee hier das Feuerwerk für die Soldaten mit Feuergefechten im Irak vermischt, wie er direkt hinter einen Marsch durch ein Footballstadion die Hetze durch einen Schützengraben zeigt. Ang Lees vermeintliche Heimkehrer können den Krieg nicht verlassen, sie sind, obgleich wieder im Vaterland, immer noch nicht zu Hause. Lee spickt hier seinen Film mit viel schwarzem Humor, der nicht gehässig wirkt, aber trotzdem bei jedem Einsatz den gleichen Effekt wie eine Ohrfeige hat. Ang Lee nimmt sich natürlich auch Zeit, den emotionalen Stress der Charaktere darzustellen. Tatsächlich ist es interessant zu sehen, wie jeder der Soldaten mit dem Medientrubel anders umgeht, aber keiner ihn wirklich genießt.

Die Helden in der Heimat versteht Lee als die Opfer der Medien, die nie nach Hause kommen und nie dorthin zurückkehren werden. Im Vergleich zum Blitzlichtbombardement erscheint der Irak tatsächlich als angenehme Aternative. Den Schrecken des Krieges stellt Lee dabei weniger durch eine grafische Darstellung dar, auch wenn man durchaus intensive Szenen im Irak zu Gesicht bekommt, nein, viel stärker nachhallen tun die Szenen, in denen die Soldaten gefragt werden, ob sie im Irak etwas positives bewirkt haben, ob sie ihren Kampf als Ehre verstehen und diese keine Antwort geben können. Dieser Zwiespalt, zwischen dem Kriegsgebiet, dass zwar tödlich, aber auch verständlich, einfach zu durchschauen, und dem Heimatland, dass doch keine Heimat ist, dass schwer zu durchschauen ist, in dem sich Verstrickungen und Netze der Aktionäre und Spekulanten nur schwer entwirren lassen, wird hervorragend eingefangen.

Am Ende zweifelt man als Zuseher tatsächlich selber, wo man denn nun besser aufgehoben ist. Die Soldaten jedenfalls haben schon lange keine Wahl, sie sind gebrochen und nichts weiteres mehr als Marionetten, die willenlos ist den nächsten Krieg marschieren, ohne hinter diesem zu stehen, ohne diesen ausfechten zu wollen. Aber sie kennen nichts anderes mehr.

Zur Technik kann man sagen, dass Lee gewohnt stilsicher filmt und besonders im finalen Akt wirklich herausragende Kompositionen erschafft, die einfach die Paralelle zwischen dem Krieg und der Zelebrierung eben jenes eindrücklich verdeutlicht. Ob hierfür 120 Frames nötig gewesen wären, ist aber in der Tat fraglich. Die Darsteller sind ebenfalls zu großen Teilen wirklich stark. Sicher, aus Vin Diesel und Kristen Stewart werden bestimmt keine Charakterdarsteller mehr, aber beide haben eine sympathisches Ausstrahlung und Diesel überzeugt durch seine beinahe mythologische Präsenz.

Was bleibt also abschließen negatives an Lees neustem Werk zu sagen? Es mangelt ihm dann halt leider doch ein wenig an Konsequenz, denn den emotionalen Pathos seines vorigen Films muss er auch irgendwie in diesen übertragen und so wächst die Soldatentruppe halt doch zu einer Familie zusammen, die sich eigentlich alle ganz doll lieb haben, obwohl sie auf der anderen Seite den ganzen Film über als emotionale Krüppel dargestellt werden. Diese letzte Szene entkräftig den starken Film und seine starke Aussage leider doch ein wenig.

Nichtsdestotrotz: „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ist „Das irre Kinoerlebnis des geneigten Zusehers“.

7.0 von 10.0

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